Vernetzung am Mann
Links: Infateristen, Kommandosoldaten oder Fernspäher (Foto) verfügen über eine Vielzahl von Sensoren und Kommunikationsmittel, deren Informationen in der Regel im Führungssystem zusammengefasst werden. (Foto: Bundeswehr/Christian Vierfuss)
Artikel in Wehrtechnic IV/2019 – Oliver Haak
Heute kommt kaum eine Armee ohne ein Soldatensystem aus, das neben der modernen Bekleidung auch vernetzte elektronische Komponenten bietet. Die Palette reicht dabei vom End-User-Device (EUD), also das Anzeigeund Bediengerät für Informationen vom Führungs- bzw. Battle Management System über das Funkgerät zur Sprach- und Datenübertragung bis hin zu Einbindung von Laser-Entfernungsmesser und/oder GPS-Sensoren.
Oliver Haak betrachtet einige marktverfügbare Lösungen.
Grundvoraussetzung für moderne Führungsfähigkeit
Die moderne Infanterie verfügt über eine Vielzahl von Sensorenund Kommunikationsmittel, deren Informationen in der Regel im Führungssystem zusammengefasst werden. Diese Führungssysteme sind dabei sowohl Datenerzeuger wie auch Konsument: Neben der Möglichkeit, automatisch laufende Positionsmeldungen der eigenen Kräfte zu empfangen und darzustellen (Blue Force Tracking), können hierüber auch Meldungen über aufgeklärte Ziele abgesetzt und bei anderen Einheiten dargestellt, Einsatzpläne einschließlich Kartenmaterial erstellt und verteilt, Befehle abgesetzt und empfangen werden. Zudem gibt es immer mehr bildgebende Sensoren, z.B. von Drohnen, deren Bilder zur Aufklärung und damit als Ergänzung des Lagebildes dienen und potenziell bis zum einzelnen Infanteristen verteilt werden können.
Hinzu tritt der Sprechfunkverkehr, der heute auch rein digital abgewickelt wird und daher zunächst auch „nur“ einen Datenstrom darstellt. Die hierdurch erzeugte Datenmenge und -rate gilt es in ausreichender Geschwindigkeit zu übertragen und darzustellen, was insbesondere bei Video- und Sprachdaten von Bedeutung ist. Dies gilt nicht nur bei
der Übertragung zwischen den einzelnen Infanteristen und ihren höheren Kommandoeinheiten, sondern fängt schon bei den einzelnen Komponenten am Mann an. Lage- und Videodaten sollten so verzögerungsfrei und bei Videodaten auch in voller Auflösung dem Soldaten angezeigt werden können.
Außerdem benötigt man eine Bandbreite, die nach Möglichkeit auch zukünftigen Ausbaustufen und Anforderungen gewachsen ist. Black Diamond Advanced Technology (BDATech) bietet hierfür eine Vernetzungslösung für den einzelnen Soldaten auf Basis von USB 3.1 an. Der Vorteil von USB im Allgemeinen ist, dass es eine ausgereifte, marktverfügbare Technologie ist, deren Kinderkrankheiten längst ausgemerzt wurden und für die es eine Vielzahl von Schnittstellenkonvertern gibt. Die besondere Eigenschaft
der bisher letzten Version von USB, Version 3.1, ist die sehr hohe Datenübertragungsrate von 5 Gigabit/Sekunde (Gbit/Sek), die zwischen einzelnen Komponenten ermöglicht wird. Diese dürfte auf geraume Zeit den Ansprüchen genügen. Weiterhin ermöglicht USB 3.1 gegenüber USB 2.0 ein besseres Energiemanagement, da die Komponente im System,
welche die Stromversorgung übernehmen soll, frei gewählt werden kann. Dadurch wird es möglich, die Stromversorgung des Funkgerätes durch die
EUD-Batterie durchführen zu lassen, um ohne Funk-Unterbrechung einen Batteriewechsel beim Funkgerät durchführen zu können.
Bedingt dadurch, dass USB grundsätzlich kabelbasiert ist, entfällt das Risiko der Störung durch fremde Funksignale (Jamming), Abhören (Tapping) oder auch Verfälschung (Spoofing) der Daten. Die Systeme von BDATech sind so abgeschirmt, um diese Einflussnahme zu unterbinden.
Hubs für den Infanteristen und Kommandosoldaten
BDATech bietet verschiedene USB 3.1-Hubs in gehärteter Ausführung und angepasst an die Gegebenheiten von modernen Gefechtswesten mit Molle-System an. Der so genannte „Bare-Kit-1“-Port-Hub ist für den Infanteristen gedacht, der mit Funkgerät und EUD ausgestattet, Sprachmeldungen und Befehle senden bzw. empfangen und mit dem Führungssystem, etwa Meldungen über aufgeklärte Feindpositionen, absetzen bzw. empfangen kann und auf dem EUD dargestellt bekommt. Ist er außerdem mit einem GPS-Sensor im Funkgerät ausgestattet, kann Blue Force Tracking betrieben werden, also die fortlaufende Darstellung der Position von Eigenkräften auf dem EUD.
Fotos: Links: Der 1-Port-Hub ist eine Kabelverbindung zwischen dem Funkgerät und dem EUD und ist speziell entwickelt für den jeweiligen Funkgerätetyp; der Anschluss an das Funkgerät erfolgt über den seitlichen Goldkontakt- Stecker, für das EUD existieren entsprechend passende Adapterkabel.
Rechts: Neben zwei USB 3.1-Anschlüssen verfügt der 2-Port-Hub zusätzlich über einen dedizierten Anschluss für das EUD sowie einen für die Spannungsversorgung. (alle weiteren Fotos: Autor)
Der Assaulter 2-Port-Hub hat mehrere Anwendungsrollen und ist gedacht für Gruppenführer mit Funkgerät und ggfs. zusätzlicher Ausstattung, wie etwa ein tragbarer Laserentfernungsmesser (Portable Laser Range Finder; PLRF) oder den Joint Tactical Air Controller (JTAC), der über zwei Funkgeräte verfügt. An die beiden verfügbaren USB
3.1-Anschlüsse können beliebige Geräte angeschlossen werden; es existieren bereits Adapterkabel für eine Vielzahl von Funkgeräten, Video- Downlink-Systemen, Laser Range Finder und mehr. Weiterhin gibt es Adapterkabel für den Anschluss von Standard-USB-Geräten bzw. solchen mit serieller Schnittstelle (RS232) und vieles mehr. Dabei entstehen aus der Marktentwicklung dicht folgend ständig neue Kabellösungen zur Einbindung in die BDATech-Welt. Eine Konfiguration mit zwei Funkgeräten kann grundsätzlich auch als Relais zur Verbindung von zwei unterschiedlichen Datennetzen dienen. Das „Netzwerk am Mann“ dient hierbei als das Bindeglied.
Für Anwendungen mit Bedarf für größere Konnektivität gibt es den APEX 4-Port-Hub mit vier frei belegbaren USB 3.1-Anschlüssen sowie analog zu dem 2-Port-Hub mit dedizierten Anschlüssen für EUD und Stromversorgung. Bei noch größerem Bedarf an Anschlussmöglichkeiten können mehrere Hubs auch kaskadiert werden. Die Verbindungskabel zwischen den einzelnen Komponenten wie Funkgeräte, LRF und DAGR (Defence Advanced GPS Receiver) sind nicht einfache Kupferdrahtlösungen sondern so genannte „Smart-Cable“, die mit einer eigenen Elektronik ausgestattet sind und neben der ggfs. notwendigen Schnittstellen- Konvertierung auch vom EUD erkannt und gesteuert werden können, etwa in Bezug auf die Energieversorgung des angeschlossenen Gerätes.
Die Skalierbarkeit und Modularität des Gesamtsystems erlaubt die Anpassung an jede Einsatzrolle, vom einfachen Infanteristen/ Kommandosoldaten über den Piloten einer Drohne, den JTAC mit LRF und mehreren Funkgeräten bis hin zum Kompanie-Gefechtsstand: Es können unter Verwendung der gleichen Komponenten beliebige Konfigurationen erstellt werden, die der jeweiligen Aufgabe und Situation angepasst sind. Weiterhin handelt es sich um ein offenes System, da die Vernetzungsgrundlage der USB 3.1 Industriestandard ist und hierfür ständig neue Kabellösungen entwickelt werden, so dass auch zukünftige Komponenten eingebunden werden können.
End User Device
Auf der EUD-Seite, das als Bedien- und Anzeige-Gerät für das Führungssystem dient, besteht derzeit grundsätzlich die Wahl zwischen Windows-basierten Systemen und Android-Geräten. Hier ist sicherlich das verwendete Führungssystem der entscheidende Faktor bei der Wahl der EUD-Plattform. Ein Beispiel für ein Windows-basiertes EUD ist das Panasonic FZ-M1, das unter Windows 10 Pro läuft und ein wasser-,
staub- und stoßfestes Gehäuse aufweist.
Links: Der APEX 4-Port-Hub mit vier frei belegbaren
USB 3.1-Anschlüssen sowie analog zu dem
2-Port-Hub mit dedizierten Anschlüssen für EUD
und Stromversorgung.
Mit einem 7-Zoll-Bildschirm ausgestattet erlaubt es die übersichtliche Darstellung auch komplexer Lagen. Allerdings ist das Gerät mit 540 gr nicht gerade ein Leichtgewicht, bedenkt man, dass noch weitere Ausrüstung getragen werden muss.
Auf der Android-Seite steht das Getac MX50 mit einem etwas kleineren Bildschirm (5,7 Zoll) und ebenso geschütztem Gehäuse nach IP67 zur Verfügung. Die zusätzlichen Tasten des Gerätes erlauben auch die
Bedienung mit Handschuhen. Etwas leichtgewichtiger (400 gr) wird es auf Grund des Formates trotzdem wie das Panasonic in der Regel immer noch in einer Halterung in dem Molle vor der Brust des Plattenhalters getragen
und bei Bedarf aufgeklappt. Die typische „Handy-Haltung“ entsteht.
Als Leichtgewicht unter den EUDs kommt das Samsung Galaxy S9 Tactical Edition daher: Nur 162 gr schwer und mit einem 5,8-Zoll-Display und in einem IP68-geschützten Gehäuse untergebracht, unterscheidet sich das Gerät äußerlich nicht von den kommerziell verfügbaren
Smartphones. Der Unterschied liegt in der speziellen Software, die neben der Verschlüsselung der auf dem Gerät befindlichen Daten auch die Konfiguration und Durchsetzung von Sicherheitsvorgaben erlaubt. Zudem ist mit Samsung Secure Settings eine Lösung verfügbar, die ein feinkörniges Sicherheitsmanagement der auf dem EUD verfügbaren Funktionen erlaubt, um dem Bediener nur die Funktionen bereitzustellen, die er für seine Aufgabe benötigt. Die Geräte-Software ermöglicht es zudem, mehrere Funkgeräte gleichzeitig anzuschließen, was mit dem Standardgerät nicht möglich ist.
Um das „Netzwerk am Mann“ zu steuern, existieren die beiden Apps Radio KDU (Key Display Unit) zur Steuerung des Funkgerätes sowie ApeCon, mit dem der Status des Netzwerks angezeigt und das Energiemanagement durchgeführt werden kann.
Beide funktionieren sowohl unter Windows wie auch Android und stehen damit auch
auf den genannten EUDs zur Verfügung. Radio KDU ersetzt die Anzeige und Tasten
am Funkgerät selbst. Das Funkgerät kann beliebig am Mann verstaut werden, auch im Rucksack, die komplette Bedienung erfolgt über die Software auf dem EUD,
Sprechfunkverkehr wird über eine Sprechgarnitur mit Mikrofon und Kopfhörer sowie einer Sprechtaste initiiert. ApeCon erlaubt die Anzeige des Batteriestatus, die Steuerung der Stromversorgung für einzelne Ports sowie der Kontrolle einer externen Stromversorgung bspw. über das Fahrzeug.
Links: Samsung Galaxy S9 Tactical Edition mit Funkgeräte-App.
Zusammenfügen der Komponenten – ein Netzwerk entsteht
Die Grundlage der militärischen Vernetzung ist IP (Internet Protocol), ein Standard, der auch das zivile Internet zum Funktionieren bringt. Notwendig ist, dass jeder Knoten im Netzwerk eine eindeutige Adresse bekommt, dies ist Aufgabe des Netzwerkmanagements. Der Infanterist bekommt hierzu für seine Funkgeräte als Kommunikations-mittel jeweils eine eigene Adresse zugewiesen. Die Verbindung der einzelnen Komponenten des „Netzwerkes am Mann“ mit dem taktischen Netz erfolgt dabei über den USB-Hub an das Funkgerät. Bei mehreren Funkgeräten am gleichen Hub kann so eine Verbindung zwischen zwei Netzen vorgenommen werden, der hier auftretende Datenverkehr läuft hierzu ebenso über den Hub. Durch die „Vernetzung am Mann“ entsteht ein lokales Informationssystem, das flexibel die Einbindung verschiedenster Sensoren, Kommunikationsmittel und anderer Geräte erlaubt. Hierdurch wird aus einer Ansammlung einzelner Komponenten, die für sich genommen sicherlich ihre Aufgabe erfüllen können, ein leistungsfähiges Instrument zur Zusammenführung, Darstellung und Weiterleitung von Informationen, das zudem zentral über das EUD gesteuert werden kann.
Vom Gewichtsstandpunkt muss die Vernetzung nicht einmal eine Bürde sein: Beispiel Dänemark, wo das Programm „Dismounted Situation Awareness“ (DSA) die Soldaten u.a. mit EUD, 2-Port-Hub und Funkgerät ausstattet. Das Gesamtgewicht des per Reißverschluss hinten auf der ballistischen Schutzweste angebrachten Systems beträgt gerade mal 1,8 kg einschließlich einer 148 Wh-Batterie, die den Großteil des Gewichtes ausmacht, ohne EUD und Funkgerät. Dabei baut es so flach, dass noch 3bequem ein Rucksack getragen werden kann.